Im Hintergrund der Ausstellung Today this technique is the other way around steht Alicia Frankovichs Auseinandersetzung mit post-fordistischer Arbeit und der damit einhergehenden Vermischung von Arbeit und Leben. Was bedeutet es, wenn der Tagesablauf mehr von Möglichkeiten als festgelegten Arbeitszeiten strukturiert wird? Welche Freiräume liegen in dem Diktat der Flexibilität? Was tritt an die Stelle der Taktung durch geregelte Arbeitszeit?
Alicia Frankovichs Performances, Skulpturen und Videos verbindet die Beschäftigung mit sozialen Prägungen und Konventionen und ihrem Niederschlag in alltäglichen Handlungen und körperlichen Verfassungen. Der Körper tritt in Erscheinung als sichtbare Spur von Gewohnheiten und Lebensumständen, dabei zugleich als Möglichkeitsträger, scheinbare Unausweichlichkeiten zu hintergehen. Die Ausstellung im Kunstverein Hildesheim verbindet Objekte, Performances und Videoarbeiten zu einer Sammlung von Zeitfolgen und Erzähltechniken. Über die vier Stockwerke des Kehrwiederturms hinweg entfalten sich Strukturierungen der Zeit, ihre Techniken, Rituale und Merkmale. Anfang, Mitte und Ende sind durch die aufeinander folgenden Stockwerke des Ausstellungsraums thematisch angelegt. Gezeigt wird unter anderem eine neue Videoarbeit, in der Anfang, Mitte und Ende als Begriffe der Erzähltheorie zur Betrachtung der täglichen Zeiteinteilung herangezogen werden. In Zusammenarbeit mit Gruppen von Sängern, Schauspielern und Autoren sowie Laien untersucht Frankovich Merkmale und Beispiele von Anfängen, Mittel- und Endpunkten sowohl im Alltag als auch in Texten, Filmen oder Theaterstücken. Interviews, Statements, gefundenes Filmmaterial und Sounds fügen sich zu einer lückenhaften Erzählung, die immer wieder beginnt, endet und fortschreitet. Eine Skulptur verbindet verschiedene Gegenstände zu einer Ansammlung, die mögliche Handlungsabläufe repräsentiert. Immer wieder proben Sänger zu verschiedenen Zeiten in der Ausstellung, machen ihre Stimme warm, bereiten sich vor auf das Singen. Anfänge, Mittel- und Endpunkte werden hier aus ihrer geordneten Reihenfolge isoliert und miteinander verwoben. Die Strukturierung der Zeit wird vorgestellt als komplexe Verdichtung von Handlungen. Die Zeiteinteilung wird so sichtbar als Ordnung, die von Handlungen konstituiert wird und mehr deren Logik als vorgegebenen Strukturen folgen kann. Eine chaotische Auffassung der Zeit, die von Flexibilität, simultanen Tätigkeiten und dem medial ermöglichten Agieren an mehreren Orten zugleich bestimmt ist, stellt sich dar.
Alicia Frankovich (*1980 in Neuseeland) präsentierte ihre Arbeiten u.a. im Künstlerhaus Bethanien, Berlin (2011) und im Artspace, Auckland (2009). Sie war beteiligt an zahlreichen Gruppenausstellungen, u.a. The Real Thing, Palais de Tokyo, Paris (2013), Direct Democracy, MUMA Monash Museum of Art, Melbourne (2013) und Contact, Frankfurter Kunstverein, Frankfurt (2012).