„Lieber Künstler, erzähle mir!“

„Lieber Künstler, erzähle mir!“

Joseph Beuys, Jan Caspers/Anne König/Jan Wenzel, Tacita Dean, William Engelen, Kathrin Horsch, Michaela Melián, Marcel Türkowsky, Tris Vonna-Michell
15.11.2008 – 21.12.2008

Die Ausstellung „Lieber Künstler, erzähle mir!“ untersucht Schnittstellen von bildender Kunst und Hörspiel. Eingeladen sind Künstlerinnen und Künstler, die das Erzählen selbst thematisieren, eine interessante Geschichte zu erzählen haben, oder beides. Die eingesetzten Strategien und Formate reichen dabei von politisch-dokumentarisch bis ironisch-verspielt. 

Michaela Melián widmet sich mit der multimedialen Installation Föhrenwald“ der Geschichte der gleichnamigen Siedlung bei München. Das in den 1930er-Jahren von den Nationalsozialisten erbaute Lager für Zwangsarbeiter wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum Auffanglager für „Displaced Persons“, jüdische Überlebende, bevor man dort nach 1956 heimatvertriebene Familien ansiedelte. Melián legt diese historischen Schichten frei, indem sie Dokumente und Originaltöne zu einem Hörspiel mit großer Sogkraft inszeniert, ergänzt um eine Diaprojektion von Zeichnungen. 

Jan Caspers, Anne König und Jan Wenzel aus Leipzig haben zur verdeckten militärischen Nutzung des Flughafens Halle/Leipzig recherchiert. In einem Interview mit dem Geschäftsführer des Flughafens, sowie mit schematisierten Scherenschnitten stellen sie Zusammenhänge her und legen Widersprüche offen. 

Marcel Türkowsky thematisiert in seiner Installation „Spyed Spy“ das Spionage-Genre: Zwischen Telefon und Tonband findet sich der Besucher in der Position eines Überwachers wieder, der selbst unter Beobachtung steht. 

Als historischer Bezug dient Joseph Beuys Hörstück „Ja ja ja ja ja, nee nee nee nee nee“ (1968), das im Eingangsbereich des Kunstvereins präsentiert wird. Im Verlauf von einer Stunde ist immer wieder Beuys ́ „Ja ja ja ja ja, nee nee nee nee nee“ zu hören, der Text wird Musik, Klang, Melodie.

 

Auf eine andere Weise untersucht auch Kathrin Horsch mit der Soundinstallation „Möhrensaft“ das Ritualhafte im alltäglichen Tun, indem sie einen regelmäßigen Marktbesuch dokumentiert. 

William Engelen entwickelt für die Ausstellung eine neue Arbeit. Er nimmt den Titel der Ausstellung wörtlich und erzählt via Computerstimme und Anrufbeantworter über den Zeitraum der Ausstellung den Besuchern Geschichten per SMS. 

Tris Vonna-Michell hat in den vergangenen Jahren in zahlreichen Installationen und Performances ein weit verzweigtes Erzähluniversum geschaffen. Für die Hildesheimer Ausstellung ist im Studio eine weitere Episode entstanden. Mit „La Borsa e la Bicicletta“ demonstriert Vonna-Michell die Kunst des Storytelling: er wechselt rasant das Tempo, improvisiert und kontrolliert seine Geschichte, verweist, wiederholt, und zieht so in seine Erzählung hinein, sowie in die Faszination des Erzählens selbst.